Eine Reliquie besitzt im Volksglauben noch heute Magie, ist ein Berührungspunkt zwischen Himmel und Erde, zwischen Irdischem und Überirdischem. Ein Weg zu Trost und Hoffnung in schweren Zeiten, leicht zu verstehen - und daher einfach zu verführerisch. Das galt ganz besonders im Mittelalter: Damals erlebte der Reliquienkult einen regelrechten Boom und trieb mitunter seltsame Blüten. Pilgerströme boten lukrative Einnahmequellen, kein Wunder, dass viele daran teilhaben wollten, und sei es mit Fakes wie „heiliges“ Krippenstroh. Aber darum soll es hier nicht gehen.
Die Matthiaskapelle in Kobern-Gondorf war offensichtlich kein Ziel von Pilgerströmen. Das architektonische Juwel mitten in den rustikalen Mauerresten der alten Oberburg wurde wohl vor rund 800 Jahren als Aufbewahrungsort für eine Kopfreliquie des Apostels Matthias errichtet und zählt heute zu den kunstvollsten Werken spät-staufischer Architektur im Rheinland. Ein sakraler Raum, der tiefe Andacht und Verehrung für den Heiligen ausstrahlt.
Vermutlich brachte der ehemalige Burgherr Heinrich II. von Isenburg-Kobern die Kopfreliquie aus der ägyptischen Hafenstadt Damiette mit. Sie war wohl eine Kriegsbeute aus jener ruhmlosen Zeit, als bewaffnete christliche Pilger ins Heilige Land zogen – als Gotteskrieger, um die Wirkungsstätten ihres Religionsgründers von den „Ungläubigen“ blutig zu befreien.
Der Zusammenhang mit den Kreuzzügen erklärt die Ähnlichkeit der Matthiaskapelle mit der alten Grabeskirche in Jerusalem.
Von der Reliquie ist heute nichts mehr zu sehen, aber eigentlich vermisst man sie auch nicht. Die Architektur kann ohne sie bestens bestehen. Die sterblichen Reste sind längst zu den übrigen Gebeinen des Apostels in der Abtei St. Matthias in Trier überführt worden, wo sie auch hingehören, sofern die Skelett-Teile denn tatsächlich zusammengehören.
Eine umfangreiche Renovierung erfolgte im 19. Jahrhundert im Stil der deutschen Spätromantik und ist inzwischen selbst schon denkmalwürdig.
Lass dir also einen Besuch dieses besonderen sakralen Bauwerkes nicht entgehen!